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Sportverein Kirchboitzen von 1919 e.V.
Sport im Verein macht Spass
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Schreib dich nicht ab Marathon „Rund um Wellen“ Sonntags früh um fünf aufstehen, das ist nicht jeder Frau und Manns Ding. Doch um die gut 100 km von Kirchboitzen entfernte Veranstaltung „Rund um Wellen“ zu besuchen, tun Uwe und ich uns das an. Und mit uns noch eine ganze Reihe anderer Läufer. Die vom TSV Wellen ausgerichtete Veranstaltung hat einen kultartigen Ruf. „Irgendwann musst du nach Wellen“, ist ein gängiger Spruch unter Marathonläufern. Den Spruch haben sich die hiesigen Macher redlich verdient. Immerhin steigt heute die 45. Auflage in dem kleinen Dorf zwischen Bremen und Bremerhaven. Deutschlands viertältester Marathon wird hier angeboten. Für mich wurde auf Grund einer Fußverletzung im Winter das Trainingsziel im Frühjahr ausgerufen: In Wellen willst du deinen ersten Marathon in 2015 und deinen 30.  Marathon überhaupt laufen. Viele Sammler vom Marathonclub 100 sind da und auch einige andere recht weit gereiste, zum Beispiel aus Bayern. Natürlich auch die Wiederholungstäter, die wissen und lieben, was sie hier erwartet. Um 8:00 Uhr starten wir gemeinsam mit den Halbmarathonis in den herrlich heraufziehenden Sommertag. Es geht durch grüne Landschaft. Felder und Wiesen, waldige Ausläufer und eine Hand voll Dörfer werden durchquert. Wir begrüßen es sehr, dass wir auf den meist asphaltierten Wegen oft unter Schatten spendenden Bäumen laufen. Die Stimmung in Runde eins ist sehr locker. Ich laufe ein Stück mit Uwe (M 55, SV Kirchboitzen) und Sascha (M40, Marathonclub Walsrode), die beide den Halben laufen, zusammen. Wir plauschen und freuen uns über die vereinzelten Anfeuerungen am Streckenrand.   Einige Wellen gibt es bei „Rund um Wellen“ auch, der Name garantiert dafür. Es geht drei oder vier Mal auffällig hoch und runter, was für die meisten von uns aber willkommene Abwechslung ist. Als Verpflegung werden Tee, Wasser und Bananen herzlichst gereicht: „Kleine Erfrischung für den Weg…“ Zwei Runden über die Marathondistanz bleiben nicht ohne psychologische Momente. Vor allem gegen Ende von Runde eins beschleicht mich ein komisches Gefühl – zu wissen, hier musst du noch einmal lang, in zwei Stunden bist du wieder hier, da geht es dir garantiert nicht mehr so gut wie jetzt… Ich halte mich ehrfürchtig in einem kleineren Halbmarathonipulk zurück und laufe nach 2h02min auf dem Sportplatz ein und biege um die Wendemarke. Einen Tee, eine halbe Banane, ein Tütchen Studentenfutter für den Weg… Die zweite Runde wird einsamer und ich beginne sie engagierter. Naja, ich lege für meine Verhältnisse die Zurückhaltung ab und laufe frischer, beschwingter. Einen Mitläufer überhole ich gleich, dann sehe ich für einige Kilometer keinen weiteren Läufer. Nett aber bleiben die wenigen Begegnungen am Streckenrand und an den Verpflegungsständen. Dann erschrecke ich mich. Von hinten nähert sich plötzlich Welf Heinrich (M 55, TV Jahn Schneverdingen) mit seiner radelnden Begleiterin im gemütlichen Plausch. Sie überholen mich (M45, SV Kirchboitzen) und er sieht so unverschämt locker aus. Dass Welf Heinrich elf Jahre älter ist als ich, macht die Sache auch nicht leichter. Na, ich behalte meinen Rhythmus bei und lasse ihn ziehen. Immerhin sehe ich weiter vor mir einen weiteren Läufer, vielleicht bekomme ich ja den noch ein?              Ich bekomme Alexander (M 55, Goldenstedt) ein, beim Anstieg bei km 30 ziehe ich vorbei. Solche Begegnungen spielen bei größeren Läufen nicht so die Rolle, weil es sie häufiger gibt. Hier aber ist es relativ einsam und an irgendwas muss sich das Läuferhirn klammern. Zumindest wenn man kein reiner Genuss- bzw. Vielläufer ist, der sich nicht fertig macht und dem die Laufzeit egal ist. Ich zähle mich nun nicht zu den Ehrgeizlingen, ein wenig Kampfnatur wohnt mir aber inne. Primär will ich heute ohne Einbruch gut durchkommen und zumindest unter 4:30min bleiben. Das scheint derzeit alles drin, aber nach km 31 wird es doch schwerer für mich. Kämpfen allein ums Durchhalten ist angesagt, das Tempo muss ich dafür etwas raus nehmen. So viel Erfahrung habe ich schon, bei meinem 30. Besonders willkommen sind zum Rundenende die zunehmenden Wasserschalen, in denen Schwämme liegen, in die man die Schirmmütze tauchen kann. Von hinten nähert sich ein weiterer Läufer, ein paar Radler im Gepäck, sie plaudern recht laut. Das Plaudern nervt mich mehr, als das sie näher kommen. Am liebsten hätte ich jetzt meine Ruhe. Ich kämpfe ja, kämpfe gegen mich selbst und gegen die sommerliche Wärme nahe 25 Grad. Vier Kilometer vor dem Ziel tauche ich mal wieder in eine Wasserwanne ein, da zieht Marcus (M35, TSV Heerstedt) mit seinem Radler-Tross an mir vorbei. Ich lass ihn ziehen, halte aber Blickkontakt. Aus einer Bushaltestelle reicht mir ein echt netter Typ einen Becher kohlensäurehaltiges Mineralwasser. Das tut irgendwie gut, nach dem bisher nur stillen Wasser und Tee. Vielleicht hat es ja den Sauerstofftransport in mein Blut angekurbelt? Doping wird in dem Becher schon nicht drin gewesen sein. Jedenfalls geht es mir plötzlich wieder besser. Zwei Kilometer vor dem Ziel der letzte längere Anstieg, angenehm unter schattigen Bäumen. Ich forciere, komme näher an Marcus mit seinem Tross, komme heran. Sie machen Platz und ich überhole. Marcus, der heute seinen 5. Marathon absolviert, versucht noch dagegen zu halten, gibt aber bald auf. Ach, könnte ich dieses Tempo doch den ganzen Marathon lang laufen. Aber es sind nur nochmal die letzten zwei Kilometer. Das 20 km Schild gefällt mir richtig gut, nur noch einen Kilometer! Auf dem Sportplatz wird der Zieleinlauf locker moderiert und auch bejubelt. Das trägt einen förmlich ins Ziel hinein und erfüllt einen mit Stolz „Rund um Wellen“ bezwungen zu haben. Für mich ist es ein schönes Gefühl, den Marathon guter Dinge beendet zu haben. Mir wird vom Radler-Tross noch Respekt für meinen Schlussspurt gezollt. Ich bin darüber ja selbst verwundert, aber es sagt mir vor allem eins: Schreib dich nicht ab. Marathonlaufen ist ein Durchhaltesport und immer für Überraschungen gut. Klar bin ich auch auf meinen 30. Marathon überhaupt stolz. Nach der Verletzung im Winter bin ich doppelt froh, den Sommer-Marathon nicht abgeschrieben zu haben. Und dieses „Rund um Wellen“ hat bei mir auf jeden Fall Lust auf mehr Marathon gemacht. Eine besondere Tradition ist die mit Schreibmaschine getippte Urkunde, fast wie vor 45 Jahren. Mit meiner Zeit von 4h:03min liege ich gut in meinem von mir gesteckten Soll. Auch Uwe hat mit seinen 2h:04min im Halbmarathon eine Grundlage für seinen Herbstmarathon gelegt. Nach dem Duschen lassen wir uns das kühle Blonde und das Grillgut schmecken. Und treffen auf Gleichgesinnte: klar, bei dem Sommerwetter, nach dem Lauf. Die Sieger werden amüsant und gemütlich geehrt. Alles hier kommt einfach herzlich rüber. Da winken wir zum Abschied und sagen Tschüß, bis zum nächsten Mal, am ersten Sonntag im August.      Hier geht es zum Album: