Frohe und besinnliche Weihnacht wünschen Gabi und Dirk   Unten der dritte Teil der Weihnachtsgeschichte. Alle Teile nachlesen könnt ihr hier:   http://www.bodebuz.de/40633.html     Du sollst nicht ehebrechen Teil 3   Ein felldurchwühltes Lager. Hitze geschwängerte Luft. Im Kamin lodern Flammen, unablässig. Obwohl niemand Holz nachlegt. Am ganzen Körper klebt der Schweiß. Im Kopf wildes Rauschen, angefacht vom Hämmern des Pulsschlags. Das Atmen fällt schwer.   Ich japse nach Luft und greife nach der Frau neben mir. Sie lächelt im Halbschlaf und rekelt sich zwischen den Fellen. Ist es, da sie so zart und geschmeidig, ist es, da meine Hände zittern? Ich kann sie nicht greifen und versuche es doch immer wieder.   Dann wälze ich mich hin und her, bleibe auf dem Rücken liegen, starre an die Decke. Schilf und Balken drehen sich, das Dach und der ganze Raum drehen sich um mich. Mir wird schwindelig und ich schließe die Augen. Jetzt rase ich um mich selbst im Kreis. Ich reiße die Augen wieder auf und sehe Susanne. Durch die Esse des Kamins sieht sie mir zu. Ihr Blick prüft mich, ihre Stirn ist kraus.   „Nein“, schrie ich und setzte hinzu: „Es ist nicht, wie du denkst.“ „Du hast wirr geträumt“, sagte die Frau im Fell neben mir. Sie hatte ihren Kopf auf die Hand des mit dem Ellenbogen abgestützten Armes gelegt und sah mich von der Seite an.  „Hab ich?“, entgegnete ich benommen. „Komm“, rief sie und sprang auf. „Machen wir uns frisch.“ „Oh nein.“ Ich sackte in die Felle zurück. „Jetzt ins Meer springen? Das bringe ich nicht.“ „Du musst nicht ins Meer“, sagte sie und lachte auf. „Komm mit, na los.“ Sie stand ohne jegliche Scham nackt da, legte den Kopf schief zur Seite und sah mich mit ihren großen leuchtenden Augen an. Wie konnte ich anders? Ich stand auf und folgte ihr in die Kälte hinaus, nackt!   Draußen dämmerte der Morgen. Der Himmel war blaugrau und klar, die Sonne schickte ihre ersten schwachen Strahlen über die Ostsee. Es war eine frostige Nacht, es war noch immer frostig, es war bitterkalt. Da half nur eins: Bewegung. Und sie fing sogleich damit an. Sie sprintete durch den kniehohen Schnee. Natürlich folgte ich ihr auf dem Fuß und klar konnte ich nicht den Anschluss halten. Doch der Lauf war nur knappe 200 Meter lang und endete am Schutzwall der Swantewit-Burg.  Hier breite sie die Arme aus, warf sich auf den Hang und wälzte sich durch den Schnee. Dazu kreischte und lachte sie vergnügt wie ein Mädchen.   Ich tat es ihr nach, warf mich in den Schnee, wälzte mich schon der Kälte wegen ruckartig schnell hin und her, juchzte und prustete vergnügt wie ein Junge.   Dabei sah der eine dem anderen zu. Ich dachte kurz darüber nach und glaubte, dass etwas wie Freundschaft oder Seelenverwandtschaft zwischen uns gewachsen war. Klar reizte sie mich auch noch als Frau, aber nur am Rande und schon gar nicht jetzt beim morgendlichen Kältespiel im Schnee. Mir war, als wasche ich meine körperliche Sehnsucht nach ihr im Schnee ab, ja, ich reinigte mich von ihr.   Plötzlich kreischte sie angsterfüllt auf, kauerte sich in den Schnee, starrte den Wall hinauf. Mir blieb die Kinnlade unten stehen, denn auf dem Wall thronte ein Reiter in zwar ruhiger aber vor Kraft strotzender Pose. Der Rappe schnaufte neblige Schwaden aus den Nüstern, warf den Kopf in Zurückhaltung hoch, scharrte mit dem Huf im Schnee. Der Reiter hielt sein Pferd im Zaum, ein Schwert hing an seiner Seite, sein eisiger Blick ging zu uns hinab.   „Toske!“, rief die Frau und kauerte sich weiter zusammen. „Ich bin gekommen, um nach dir zu sehen.“ „Nach all den Jahren…?“ „Ich hörte, du lebst getrennt von deinem zweiten Mann, dem Dänen.“ „Zwei Jahre habe ich ihn nicht gesehen…“ „Und ich sehe, du hast wieder einen Mann. Nun, …“ „Es ist nicht, wie du denkst“, rief sie und ihre Stimme brach mit einem tiefen Aufseufzen im Schnee. Der Reiter lockerte die Zügel, der Rappe schnaufte und stapfte den Wall hinab, auf uns zu. „Nun, ich denke, was ich sehe. Ich hätte mich damals mit dem Dänen um dich schlagen wollen und habe es nicht getan. Ich habe versucht, dich zu vergessen und habe es nicht geschafft. Und jetzt? Es ist wie damals. Ich kam voller Hoffnung und finde dich mit einem anderen, nackt und vereint.“ „Nackt aber nicht vereint!“, rief die Frau und streckte im Schwur die Arme zu ihm aus. „Ich möchte ihn niederstrecken“, rief Toske, der Reiter. Er zog neben mir die Zügel straff, legte die Hand an den Knauf des Schwertes, das in einer fellbezogenen Scheide steckte, noch. Ich sah zu ihm auf, erstarrte vor und in Kälte, zitterte wie Espenlaub im Wind. Er sah mich an, prüfte mich, überlegte ob seines Tun. Dann, er hatte das Schwert halb heraus, sprach wieder sie: „Er hat mich nicht berührt. Wir haben uns nicht berührt, denn wir sind anderen bestimmt. Auch ich habe dich nie vergessen, Toske. Du warst mein erster Mann, hier vor Swantewit. Damals bestimmte der Krieg unser Schicksal und mich einem anderen. Im Herzen jedoch war ich immer dein und bin es noch, hier vor Swantewit.“ „Swantewit ist gestürzt, der neue Gott bestimmt unser Schicksal“, entgegnete Toske und umklammerte fest den Knauf, zog daran. „Und gebietet der neue Gott nicht Barmherzigkeit und Vergebung?  Dem Fremden hier brauchst du nicht vergeben, denn er hat an mir nichts getan. Mir vergib und ich will vor Gott auf immer mit dir sein.“ Toske löste den eisernen Blick von mir und blickte zu der Frau, die noch immer im Schnee hockte, die mit ihren großen feuchten Augen zu ihm auf sah.   Ich bewunderte und bemitleidete diese Frau und verdrängte darüber meine Todesangst. Und ich hörte die Klinge zurück in die Scheide schlupfen, sah Toske von dem Rappen gleiten, sah zu, wie er zu ihr ging, ihr aufhalf und sie in fester Umarmung an sich drückte.   Sie schluchzte und weinte und war wohl am Ziel ihrer Wünsche. Denn Arm in Arm gingen sie zu ihrer Hütte und ich blieb allein zurück. Geraume Weile stand ich da, kalt und nackt, doch ich fror nicht mehr.   War es, das ich dem Tod entronnen, war es pure Zuversicht? Frei von Angst und Kälte fühlte ich mich rein und stark. Und ich dankte Swantewit und Gott dafür, dass sie mich nicht die Frau im Fell berühren ließen. So strebte denn auch ich zu der Hütte hin und fand ihn am Tisch bei einem Becher Tee und sie beim packen ihrer Sachen.   „Danke, dass du mich erlöst hast“, sagte sie zu mir und strahlte vor Glück. „Du hast zu mir gefunden, aber wir haben uns nicht berührt. Ich bin rein und bekomme meinen Mann zurück.“ „Ja, du bist rein. Und wir sind Freunde“, sagte ich gerührt. „Das sind wir“, rief sie aus, ließ alles stehen und liegen, fiel mir in die Arme. Ich drückte sie fest an mich und sah über ihre Schulter zu Toske hin. Der nickte und lächelte uns zu. „Ich werde mit Toske ins Inselinnere gehen“, sagte sie und schob sich wieder von mir. „Und du?“, fragte sie. Ich stand nackt da und zuckte mit den Schultern. „Wenn es gelingt kehre ich in meine Welt 825 Jahre später und zu meiner Frau zurück. Die zweite Hürde ist vielleicht höher als die erste. Wenn die erste schon nicht gelingt, habe ich keine Ahnung, was mit mir wird.“ „Nur Mut“, sagte sie. „Wenn es dieses Jahr nichts wird, dann vielleicht im nächsten.“ „Im nächsten oder erst im übernächsten…?“ „Ich habe zwanzig Jahre gewartet“, sprach sie im Trost. „Meine Hütte, sie wird ja frei.“ „Viel Glück, Fremder“, sagte Toske. „Euch auch.“ Ich zog mir meine Laufsachen an und wir traten gemeinsam vor die Tür. Sie zogen, die Hühner in Körben und die Ziege im Schlepptau südwärts. „Alles Gute.“ Ich winkte ihnen nach. „Wir sehen im Frühjahr vorbei“, rief Toske. „Leb wohl“, rief die Frau im Fell.   Ich wandte mich nach Westen und lief zurück dorthin, wo ich nicht nur den Bakenberg, sondern auch mein Wohnmobil anzutreffen hoffte.     Der Wald war dicht und tief verschneit. Durch den kniehohen Schnee kam ich auf dem kaum auszumachenden Pfad nur mühsam voran. Ich musste mich immer parallel zur Ostsee halten, um anzulangen irgendwann. Nur in welchem Wann war ich, in welchem Wann würde ich anlangen? 1188 oder 2013 oder in einem noch ganz anderem Jahr?   Obwohl bestes Winterwetter herrschte mit Sonne pur, leichtem Frost und nur mäßigem Wind, begegnete ich keinem Spaziergänger, sah ich kein Schiff am weit einsehbaren Meereshorizont.   Doch ich lief und lief. Das schmerzhafte Ziehen in Waden und Oberschenkel spürte ich schon bald nicht mehr. Da knackte es im Unterholz. Wie gestern traf ich auf ein Sprung Rehwild. Doch heute nahmen sie, allen voran ein stattlicher weißer Hirsch mit hohem Geweih, vor mir reiß aus. Ich sah ihnen nach und lief weiter.   Eine gute Stunde war ich unterwegs, da lichtete sich plötzlich der Wald. Dicht vor Strand und Düne breitete sich langgezogen eine schneebedeckte Fläche mit einzelnem Baumbewuchs aus. Auch hier kein Mensch und keine Spuren im Schnee.   Doch dann, mir sackten die Knie weg, sah ich einsam ein Wohnmobil, mein Wohnmobil! Die erst Hürde war geschafft. Erleichtert aber nervlich total erledigt schleppte ich mich die letzten Meter heran. Ich kramte den Schlüssel aus der Tasche, öffnete mit zitternder Hand die Tür und stieg ein.   Da saß sie am Tisch und sah mich mit froh leuchtenden Augen an. „Susanne!“ „Ich hab es nicht ausgehalten, Weihnachten ohne dich in der Stadt und mit meiner Familie. Wenn du die zweite Chance noch willst, ich gebe sie dir.“ „Und ob ich will.“ Ich war heran und sie stand auf und wir fielen uns in die Arme. „Na, nun dusch dich mal, du riechst nicht gerade angenehm“, sagte sie und schob mich fort.      Ich sprang unter die Dusche und Susanne wusch Geschirr ab und kochte Tee. „Du hattest Besuch?“, fragte sie als wir bei Tee und Stollen saßen. „Ja, von einer Frau im Fell, die ich Heilig Abend kennengelernt habe.“ „Einer Frau im Fell, soso…“ „Nicht, was du denkst. Sie hat mir noch mal richtig die Augen geöffnet. Ich will mit dir zusammen sein, Susanne. Nur mit dir, für immer.“ „Weißt du, was ich am meisten vermisst habe?“ „Nein.“ „Die Spaziergänge mit dir.“ „Na dann los.“   Wir gingen untergehakt am winterlichen Ostseestrand und ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Es war herrlich. Leise plätscherten die kleinen Wellen ans Ufer. Und die Luft war frisch und salzig. Die Aussicht und das Meer und der Strand waren unendlich weit. Und es war zweisam einsam. Ich fühlte mich unbeschwert und frei, mit meiner Susanne an der Seite.    Doch dann tauchten vor uns am Strand zwei Läufer auf. Wir gingen weiter und schwiegen und rasch kamen sie näher. Es waren ein Mann und eine Frau in moderner Outdoor-Kluft. Ich blinzelte gegen die Sonne und erkannte sie erst unmittelbar auf unserer Höhe.   „Frohes Fest“, riefen die Frau im Fell und Toske und sie eilten vorüber. „Frohe Weihnachten“, entgegneten wir und gingen weiter unseren Weg. „Na, was ist, juckt es dir nicht in den Füßen?“, fragte Susanne. „Nein, nicht die Bohne. Ich bin Weihnachten mehr als genug gelaufen, war in der Ostsee baden, hab mich gewaschen im Schnee…“ „Na, es wird Zeit, dass ich da bin und auf dich aufpasse.“ „Ja, höchste Zeit.“   Ende
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